Die EU-Richtlinie (EU) 2023/970 zur Entgelttransparenz ist ein Meilenstein im Kampf gegen ungerechtfertigte Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern – ein Thema, das in Zeiten wachsender Bedeutung von Equality, Diversity & Inclusion (ED&I) nicht ignoriert werden darf. In diesem Beitrag beleuchten wir Zielsetzung, Inhalte, Umsetzungsfristen sowie Chancen für Unternehmen – und zeigen, wie wir Sie fit für effiziente Compliance und positive Unternehmenskultur machen können.
1. Hintergrund & Ziele der Richtlinie
- Die Richtlinie wurde am 10. Mai 2023 vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedet, veröffentlicht am 17. Mai 2023
- Ziel: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder Arbeit von gleichem Wert – insbesondere zur Eindämmung des Gender Pay Gap
- Laut Eurostat lag das durchschnittliche Gender Pay Gap 2020 bei 13 % (Stundenlöhne), die Rentenlücke sogar bei 26 %
- Die Richtlinie stärkt bestehende EU-Prinzipien (z. B. Art. 157 AEUV) durch verpflichtende Transparenz- und Durchsetzungsmechanismen
- Weiterführende Infos dazu hier auf dem Blog.
2. Kerninhalte der Richtlinie
Entgelttransparenzrichtlinie 2023/970 >> und die Änderungen für 2026.
a) Transparenz in Stellenausschreibungen & Rekrutierung
- Arbeitgeber müssen Gehaltsniveau oder -spannen in Stellenanzeigen angeben oder vor dem Interview kommunizieren
- Das Fragen nach Gehaltsvergangenheit von Bewerbenden ist verboten
b) Recht auf Auskünfte für Beschäftigte
- Mitarbeitende haben Anspruch auf Informationen zu:
- eigenem Gehalt,
- durchschnittlichem Gehalt (nach Geschlecht) in vergleichbaren Kategorien (“same work or work of equal value”)
- Die Kriterien für Gehaltsfestlegung und Karrierefortschritt müssen objektiv, gendersensitiv und transparent sein
c) Berichtspflichten und Fristen
Die Berichtspflichten variieren je nach Unternehmensgröße und sind gestaffelt nach dem Datum der Berichterstattung:
Unternehmensgröße | Erstberichterstattung | Frequenz danach |
---|---|---|
≥ 250 Mitarbeitende | Juni 2027 (auf Basis 2026-Daten) | jährlich |
150–249 Mitarbeitende | Juni 2027 | alle 3 Jahre |
100–149 Mitarbeitende | Juni 2031 (auf Basis 2030-Daten) | alle 3 Jahre |
- Kleinere Unternehmen (< 100) sind derzeit nicht verpflichtet, können aber national strengere Regelungen drohen.
- Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen
d) Pflicht zur gemeinsamen Gehaltsanalyse (Joint Pay Assessment)
- Wird bei einer Gehaltsdifferenz ≥ 5 % festgestellt und ist diese nicht objektiv erklärbar, muss innerhalb von 6 Monaten eine gemeinsame Analyse mit Arbeitnehmervertretung durchgeführt werden
- Ergebnisse sind bei Bedarf dem Monitoring-Body, Arbeitsinspektion oder Gleichstellungsstelle zur Verfügung zu stellen
e) Ausgleichsrechte & Beweislastumkehr
- Beschäftigte, die Lohndiskriminierung erlebt haben, erhalten Anspruch auf Schadenersatz – einschließlich Nachzahlungen, Boni, geldwerte Vorteile
- Die Beweislast liegt nun beim Arbeitgeber – er muss nachweisen, dass keine Diskriminierung vorlag
- Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (z. B. Geldbußen) Rat der Europäischen Union.
f) Intersektionalität & Inklusion
- Die Richtlinie berücksichtigt erstmals mehrfachdiskriminierende Merkmale wie Geschlecht + Ethnie oder Behinderung Rat der Europäischen Union.
- Informationen müssen zudem barrierefrei zugänglich sein
3. Umsetzung in Deutschland – Status quo
- Deutschland hatte bereits seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), das Auskunftsansprüche (ab 200 Mitarbeitende) und Berichtspflichten (ab 500 Mitarbeitende) vorsieht Wikipedia.
- Die EU-Richtlinie verpflichtet zur deutlich detaillierteren Transparenz und erfasst kleinere Unternehmen früher als das nationale Gesetz. Deutschland muss nun nachbessern.
- Bis 7. Juni 2026 muss die EU-Richtlinie in deutsches Recht implementiert sein – bisher stehen einige Entwürfe (z. B. über das BMFSFJ) in Diskussion Wikipedia.
4. Chancen & strategische Perspektiven für Unternehmen
Compliance & Risikomanagement
- Viele Unternehmen unterschätzen die Komplexität der Berichtspflichten.
- Nicht-Einhaltung kann zu Sanktionen, Imageschäden und rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
Mitarbeitende & Employer Branding
- Transparenz schafft Vertrauen und stärkt ED&I-Bemühungen.
- In Zeiten von Fachkräftemangel ist gelebte Gleichstellung ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Organisationsentwicklung
- Die Richtlinie fordert eine Überprüfung von Jobarchitektur und Gehaltsstrukturen – ein willkommener Anlass, Strukturen zu hinterfragen und zu optimieren
- Viele Unternehmen verfügen bereits über Basisarchitektur; oft ist nur Feinjustierung nötig
Nachhaltigkeits- und Reporting-Strategien
5. Umsetzungsschritte – ein Leitfaden für Unternehmen
Die große Frage ist doch nun die, wie die Entgelttransparenzrichtlinie für Unternehmen umgesetzt werden kann.
- Analyse der Unternehmensgröße und Relevanz: Welche Berichtsgruppe betrifft Sie?
- Ist-Zustand ermitteln: Verfügen Sie über eine geeignete Jobarchitektur?
- Daten vorbereiten: Gehälter, variable Vergütung, Rollenstruktur, geschlechtsspezifische Aufschlüsselung.
- Berichtssystem aufbauen: Automatisierte Datenverarbeitung, Reporting-Standards.
- Zusammen mit Arbeitnehmervertretung Handlungsbedarf identifizieren – ggf. gemeinsame Bewertung starten.
- Transparenzkommunikation etablieren: Gehaltskriterien intern und in Stellenanzeigen klar und barrierefrei darstellen.
- Fristen beachten:
- 2026: nationale Umsetzung,
- 2027: erstes Reporting ab 250 MA,
- 2031: Reporting auch für 100–149 MA
- Monitoring & Verbesserung: Regelmäßige Kontrolle, Lessons Learned, Anpassungen.
6. Wir unterstützen Sie dabei
Als erfahrene HR- und Managementberatung begleiten wir Unternehmen ganzheitlich und pragmatisch. Dabei helfen wir Ihnen unter anderem:
- bei der Überprüfung und Optimierung Ihrer Jobarchitektur,
- beim Aufbau effizienter Analytik- und Reporting-Infrastrukturen,
- bei der Entwicklung von Prozessen für Transparenzkommunikation und internes Change Management,
- und bei der Umsetzung der Berichtspflichten inklusive Abstimmung mit Arbeitnehmervertretung.
Wir machen Sie fit für die Entgelttransparenz – im Sinne von Compliance und zukunftsfähiger Unternehmenskultur.
Entgelttransparenzrichtlinie
Bereiten Sie sich jetzt vor – die Zeit bis 2026 ist kurz, und die Berichterstattungspflichten beginnen ab 2027.
Und denken Sie daran: Wir sind für Sie da, um Sie sicher, effizient und werteorientiert auf diesem Weg zu begleiten.
Die Entgelttransparenzrichtlinie (EU 2023/970) ist weit mehr als eine regulatorische Hürde – sie ist eine Chance und Herausforderung zugleich. Sie bringt Klarheit, stärkt Gleichberechtigung, digitale Prozesse und nachhaltige Unternehmenskultur.