Die Reform des Arbeitszeitgesetzes gehört aktuell zu den wichtigsten Vorhaben der Bundesregierung im Bereich Arbeit und Soziales. Im Mittelpunkt steht die geplante Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung – ein Thema, das Arbeitgeber, Beschäftigte und politische Akteure gleichermaßen betrifft. Ausgelöst wurde die Debatte durch CDU-Chef Friedrich Merz. Er fordert eine modernere Ausgestaltung des Arbeitszeitrechts.
Doch was ist konkret geplant? Welche Positionen vertreten Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften? Und welche Auswirkungen hat die Reform auf den Arbeitsalltag?
Hintergrund der Reform des Arbeitszeitgesetzes
Ursprung und rechtliche Grundlagen
Die Diskussion wurde durch Urteile des Europäischen Gerichtshofs (2019) und des Bundesarbeitsgerichts (2022) angestoßen. Beide kamen zu dem Ergebnis, dass Arbeitszeiten umfassend und verlässlich erfasst werden müssen – auch zur Durchsetzung des Arbeitsschutzes. Deshalb ist der Gesetzgeber nun verpflichtet, diese Vorgaben konkret umzusetzen.
Friedrich Merz und Teile der Union setzen sich in diesem Zusammenhang für eine grundlegende Modernisierung des Gesetzes ein. Aus ihrer Sicht ist das bestehende Arbeitszeitrecht nicht mehr zeitgemäß.
Was die Reform des Arbeitszeitgesetzes vorsieht
Abschied vom Achtstundentag?
Ein zentraler Punkt der Reform ist die Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit. Statt acht Stunden pro Tag soll es künftig eine wöchentliche Obergrenze geben – beispielsweise 40 oder 48 Stunden. Damit könnten Arbeitstage deutlich länger ausfallen, sofern an anderen Tagen weniger gearbeitet wird. Die genaue Ausgestaltung dieser Regelung ist noch offen.
Pflicht zur digitalen Zeiterfassung
Darüber hinaus sieht die Reform vor, die digitale Erfassung von Arbeitszeiten gesetzlich vorzuschreiben. Unternehmen sollen künftig verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit elektronisch zu dokumentieren – entweder über Apps, Terminals oder andere digitale Lösungen. Ziel ist es, rechtssichere Standards für alle Beteiligten zu schaffen.
Warum die Reform des Arbeitszeitgesetzes jetzt kommt
Gerichtsurteile und EU-Druck
Die Urteile von EuGH und BAG haben den Handlungsdruck erhöht. Zudem verlangt eine EU-Richtlinie, dass Mitgliedsstaaten ein objektives und zugängliches System zur Zeiterfassung einführen. Deutschland hat bisher noch keine gesetzliche Umsetzung vorgelegt – das soll sich mit der Reform nun ändern.
Unklare Praxis in Unternehmen
In vielen Betrieben herrscht Unsicherheit. Während einige bereits digitale Systeme nutzen, arbeiten andere weiterhin mit Excel-Tabellen oder notierten Stundenzetteln. Die geplante Reform soll endlich Klarheit schaffen und die Zeiterfassung einheitlich regeln.
Was Gewerkschaften zur Reform des Arbeitszeitgesetzes sagen
Schutz von Gesundheit und Freizeit
Gewerkschaften wie Verdi und der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisieren insbesondere die geplante Flexibilisierung. Sie befürchten, dass durch den Wegfall des Achtstundentags längere Arbeitszeiten zur Regel werden. Das wiederum könnte die Erholung erschweren und gesundheitliche Risiken erhöhen.
Kritik an übermäßiger Kontrolle
Darüber hinaus wird gewarnt, dass die verpflichtende digitale Zeiterfassung das Modell der Vertrauensarbeitszeit untergraben könnte. Viele Beschäftigte würden sich überwacht fühlen, was das Betriebsklima belaste. Besonders problematisch sei das für Tätigkeiten, die nicht klar in Stunden gemessen werden können – etwa kreative oder projektbezogene Arbeit.
Position der Arbeitgeber zur Reform des Arbeitszeitgesetzes
Mehr Flexibilität für moderne Arbeitsmodelle
Arbeitgeberverbände wie die BDA unterstützen die Reform grundsätzlich. Sie sehen in der wöchentlichen Arbeitszeit eine Möglichkeit, flexibler auf Auftragslagen und Mitarbeiterwünsche zu reagieren. Gerade bei Homeoffice oder internationaler Zusammenarbeit sei eine Tagesgrenze oft hinderlich.
Effizienz durch digitale Systeme
Auch die Pflicht zur digitalen Zeiterfassung wird positiv bewertet. Denn moderne Tools automatisieren Prozesse, vermeiden Fehler und ermöglichen exakte Auswertungen. Arbeitgeber versprechen sich davon nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch organisatorische Vorteile.
Streitpunkt Achtstundentag: Was sich ändern soll
Alte Regelung
Derzeit regelt das Arbeitszeitgesetz: maximal acht Stunden Arbeit pro Tag, in Ausnahmefällen zehn – bei entsprechendem Ausgleich. Diese Regelung gilt seit Jahrzehnten.
Neues Modell mit Wochenarbeitszeit
Die geplante Reform will davon abrücken. Zukünftig soll nicht mehr der einzelne Arbeitstag zählen, sondern die gesamte Wochenarbeitszeit. Dadurch könnten einzelne Tage länger werden – dafür andere frei. Arbeitgeber sehen darin einen Gewinn an Freiheit. Gewerkschaften hingegen warnen vor Überforderung.
Wie die digitale Zeiterfassung umgesetzt werden soll
Technische Möglichkeiten
Bereits heute gibt es zahlreiche Softwarelösungen, die Zeiterfassung per App, Chip oder Browser ermöglichen. Sie sind in der Regel einfach zu bedienen, mobil einsetzbar und können automatisiert ausgewertet werden. Anbieter werben mit schnellen Setups und niedrigen Betriebskosten.
Herausforderungen für kleine Betriebe
Allerdings bedeutet die Umstellung auch Aufwand. Besonders kleinere Betriebe fürchten zusätzliche Bürokratie. Die Bundesregierung plant deshalb Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen – je nach Größe und Branche.
Datenschutz und Kontrollfragen in der Arbeitszeiterfassung
Sensible Informationen
Digitale Systeme erfassen nicht nur Uhrzeiten, sondern oft auch Standortdaten oder Nutzerverhalten. Deshalb ist es wichtig, klare Vorgaben für den Datenschutz zu schaffen. Beschäftigte müssen wissen, welche Daten gespeichert werden, wer Zugriff hat und wie lange diese aufbewahrt bleiben.
Balance zwischen Transparenz und Vertrauen
Die Reform des Arbeitszeitgesetzes soll die Rechte der Beschäftigten stärken. Sie darf jedoch nicht zu einer Misstrauenskultur führen. Entscheidend ist, wie Unternehmen das System nutzen – als Schutzinstrument oder als Kontrollwerkzeug.
Chancen und Risiken der Reform des Arbeitszeitgesetzes
Vorteile
- Bessere Nachvollziehbarkeit der Arbeitszeit
- Schutz vor unbezahlten Überstunden
- Einheitliche Regeln für alle Betriebe
- Effizientere Personalplanung
Nachteile
- Mögliche Entgrenzung der Arbeit
- Überwachungsgefühl durch digitale Systeme
- Mehraufwand bei Einführung und Schulung
- Unsicherheit bei kreativen oder flexiblen Tätigkeiten
Nächste Schritte im Gesetzgebungsverfahren
Zeitplan der Umsetzung
Aktuell läuft der Sozialpartnerdialog, bei dem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gemeinsam mit der Politik über die genaue Ausgestaltung beraten. Ein Gesetzentwurf wird für den Herbst erwartet. Die Einführung der Pflicht zur digitalen Zeiterfassung soll gestaffelt erfolgen:
- ab 2026: Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten
- ab 2027: Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten
- ab 2028: alle anderen Betriebe
Branchenspezifische Ausnahmen
Für besonders mobile oder unregelmäßige Arbeitsfelder – etwa im Bau, in der Pflege oder der Gastronomie – sind flexible Lösungen geplant.
Fazit zur Reform des Arbeitszeitgesetzes
Die Reform des Arbeitszeitgesetzes wird kommen. Für Unternehmen bedeutet sie eine klare Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung. Für Beschäftigte bringt sie mehr Transparenz, aber auch die Gefahr größerer Kontrolle. Damit die Reform ihr Ziel erreicht, braucht es ausgewogene Regelungen – und Vertrauen in die Umsetzung.
Nur wenn Schutz, Flexibilität und technische Umsetzbarkeit gut austariert sind, kann aus der Reform ein Fortschritt für alle Seiten werden. Die Arbeitswelt verändert sich – das Arbeitszeitgesetz muss Schritt halten.