Faire Bezahlung (Equal Pay) ist mehr als ein moralischer Anspruch. Sie ist ein harter Wettbewerbsfaktor. Wer Vergütung nachvollziehbar gestaltet, senkt Risiken, stärkt die Arbeitgebermarke und bindet Leistungsträger. Ein Equal Pay Audit liefert genau dafür das Fundament. Es zeigt systematisch, wo Unterschiede in der Vergütung bestehen, welche Ursachen dahinterstecken und welche Maßnahmen wirken.
Gleichzeitig wächst der rechtliche Druck. In Deutschland gilt seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz mit Auskunftsanspruch und Berichtspflichten für große Unternehmen. Auf EU-Ebene bringt die Richtlinie 2023/970 zusätzliche Transparenzanforderungen und schärfere Durchsetzungsmechanismen. Unternehmen müssen Gehaltsinformationen offensiv bereitstellen und bei nicht erklärbaren Differenzen handeln. Überschreitet die Lohnlücke bestimmte Schwellen, werden Gegenmaßnahmen verpflichtend. Wer heute ein Equal Pay Audit etabliert, ist bis 2026 sauber aufgestellt und gewinnt Zeit für eine souveräne Umsetzung. EUR-LexRat der Europäischen Union
Dieser Beitrag erklärt verständlich, was ein Equal Pay Audit leistet, wie es abläuft, welche Daten und Methoden zählen und wie du es pragmatisch im Unternehmen verankerst – ohne Chaos, ohne Schnellschüsse und mit klaren Ergebnissen.
Was ist ein Equal Pay Audit
Ein Equal Pay Audit ist eine strukturierte Untersuchung der Vergütungslandschaft eines Unternehmens. Ziel ist es, unfaire Unterschiede aufzudecken, zu erklären und zu beseitigen. Es geht nicht nur um den Vergleich von Durchschnittslöhnen. Es geht um die Frage, ob gleichwertige Arbeit gleich bezahlt wird. Dazu werden Stellenprofile, Level, Verantwortungsumfänge, Qualifikation, Leistung, Marktwerte und tatsächliche Entgelte zusammengeführt und überprüft.
Das Ergebnis ist ein überprüfbares Bild der Entgeltpraxis, ergänzt um konkrete Korrekturpfade. Ein gutes Equal Pay Audit ist damit Diagnose und Behandlungsplan zugleich. Es priorisiert Maßnahmen, definiert Zuständigkeiten und setzt Fristen.
Rechtlicher Rahmen in Kürze
Deutschland kennt mit dem Entgelttransparenzgesetz seit 2017 klare Instrumente. Beschäftigte in größeren Unternehmen können Auskunft über das Medianentgelt der Vergleichsgruppe einfordern. Das Bundesarbeitsgericht hat 2021 klargestellt, dass ein Entgelt unter dem mitgeteilten Median regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung begründet. Dann liegt es am Arbeitgeber, die Differenz sachlich zu erklären. BMBFSFJDas Bundesarbeitsgericht
Die EU-Pay-Transparency-Richtlinie 2023/970 setzt noch eins drauf. Unternehmen müssen Gehaltsinformationen zugänglich machen. Sie müssen handeln, wenn geschlechtsbezogene Vergütungsunterschiede eine Schwelle überschreiten und nicht objektiv begründet sind. Dazu kommen Schadensersatzmöglichkeiten und Sanktionen bei Verstößen. Für Unternehmen heißt das: Transparente Vergütungssysteme werden Pflicht statt Kür. EUR-LexRat der Europäischen Union
Warum ein Equal Pay Audit jetzt strategisch ist
Ein Equal Pay Audit ist mehr als Risikoabwehr. Es schafft Ordnung in gewachsenen Entgeltstrukturen und liefert ein belastbares Steuerungsinstrument. Das Audit
- reduziert Rechts- und Reputationsrisiken
- stärkt Vertrauen und Akzeptanz von Vergütungsentscheidungen
- verbessert Recruiting durch klare Gehaltsspannen und nachvollziehbare Level
- erhöht interne Mobilität, weil Entwicklungspfade fair hinterlegt sind
- macht Führung und HR entscheidungsfähig, weil die Basisdaten stimmen
Mit Blick auf 2026 verschafft das Equal Pay Audit einen zeitlichen Vorsprung. Wer heute Transparenz schafft, muss morgen nicht hektisch reagieren. Die EU-Richtlinie verlangt höhere Standards und Verbindlichkeit. Ein auditierter Vergütungsrahmen spart später viel Aufwand.
So läuft ein Equal Pay Audit ab
Ein Equal Pay Audit folgt einer klaren Logik. Bewährt hat sich eine Abfolge in sechs Schritten. Jeder Schritt baut auf dem vorherigen auf und ist jeweils in sich abgeschlossen, damit du Zwischenergebnisse nutzen kannst.
Schritt 1: Zielbild und Governance klären
Lege fest, was das Audit erreichen soll. Rechtssicherheit, Arbeitgeberattraktivität, Vorbereitung auf EU-Pflichten, interne Fairness oder alles zusammen. Bestimme Verantwortliche aus HR, Fachbereichen, Controlling und Rechtsabteilung. Binde den Betriebsrat frühzeitig ein. So entsteht Verlässlichkeit und Akzeptanz.Schritt 2: Rollenlogik und Level definieren
Vergütung kann nur fair sein, wenn Funktionen sauber beschrieben und bewertet sind. Erarbeite Rollencluster, Kernaufgaben, Anforderungen und Verantwortungsgrade. Hinterlege Karrierestufen mit klarer Progression. Ohne diese Systematik vergleicht ein Audit sehr schnell Äpfel mit Birnen.Schritt 3: Daten erheben und plausibilisieren
Sammle Grundgehälter, variable Bestandteile, Zulagen, Benefits sowie Metadaten wie Rolle, Level, Standort, Vollzeitquote, Eintrittsdatum, Befristung, Leistungseinstufung. Prüfe Datenqualität. Kläre Ausreißer, Doppelerfassungen und Sonderfälle. Ohne saubere Basisdaten liefern selbst beste Analysen falsche Schlüsse.Schritt 4: Analytik und Kennzahlen
Bilde die zentralen Metriken. Dazu zählen Gesamtlohnlücke, kontrollierte Lücke nach Rolle und Level, Gap in Neueinstellungen, Gap in Beförderungen, Gap nach Standort und Vertragsart. Modellierungen vergleichen gleichwertige Arbeit auf Basis objektiver Kriterien. Genau hier liegt der Kern von Equal-Pay-Analysen und dem Geist der EU-Richtlinie.Schritt 5: Ursachen prüfen und Maßnahmen planen
Unterschiede sind nicht automatisch Diskriminierung. Manche Lücken lassen sich durch Qualifikation, Verantwortung oder Performance erklären. Andere bleiben auch nach Kontrolle bestehen. Dann sind Korrekturen nötig. Typische Maßnahmen sind Anpassungen einzelner Gehälter, die Einführung von Gehaltsbändern, klarere Beförderungskriterien, strukturierte Einstiegsgehälter, Trainings gegen kognitive Verzerrungen in Entscheidungen und die Verpflichtung zu dokumentierten Vergütungsbegründungen.Schritt 6: Umsetzung, Monitoring und Kommunikation
Lege eine Roadmap fest. Plane Kommunikationsformate, die informieren statt zu verunsichern. Verankere Kennzahlen im regelmäßigen Reporting. Richte ein schlankes Monitoring ein, das Neueinstellungen, Beförderungen und variable Vergütung im Blick behält. So bleibt das Equal Pay Audit keine Momentaufnahme, sondern wird zur kontinuierlichen Steuerung.
Welche Daten und Methoden überzeugen
Ein Equal Pay Audit steht und fällt mit Datenqualität und Methodik. Überzeuge durch Konsistenz, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit.
Stellenbewertung und Rollenlogik
Nur wenn Stellen vergleichbar bewertet sind, ist der Gleichwertigkeitsvergleich tragfähig. Lege eine einfache, verständliche Logik fest. Beschreibe Verantwortungsumfang, Komplexität und Wirkung. Das schützt vor Zufall und Bauchgefühl.
Vergütungsbänder und Marktdaten
Hinterlege je Rolle und Level Bandbreiten. Diese Spannen müssen objektiv begründet sein. Marktdaten helfen, aber nur in Verbindung mit deiner Rollenlogik. So entstehen nachvollziehbare Entscheidungen bei Einstellung, Entwicklung und Retention.
Kennzahlenkonsistenz
Nutze dieselben Definitionen über Bereiche hinweg. Unterscheide unbereinigte von bereinigten Lücken. Erkläre, welche Variablen in deine Modelle eingehen. Transparenz in der Methode ist essenziell, sonst wird die Sache politisch.
Rechtliche Anknüpfungspunkte
Behalte den deutschen Auskunftsanspruch und die BAG-Rechtsprechung im Blick. Die Möglichkeit, dass ein unter dem Median liegendes Entgelt die Vermutung einer Benachteiligung begründet, ist in der Praxis relevant. Ein Audit, das diese Logik versteht, ist gerichtsfest und anschlussfähig.
Typische Stolpersteine – und wie du sie vermeidest
Viele Equal Pay Audits scheitern nicht an der Analyse, sondern an der Organisation.
Unklare Rollen und Level
Wenn Rollenprofile fehlen, wird der Vergleich beliebig. Investiere zuerst in die Struktur, erst dann in die Statistik.
Nur Durchschnittswerte statt kontrollierter Vergleiche
Der Blick auf Mittelwerte verführt zu schnellen Schlüssen. Entscheidend ist, ob Beschäftigte gleichwertige Arbeit leisten. Ohne kontrollierte Vergleiche entsteht Aktionismus.
Aktionismus ohne Prioritäten
Nicht jede Lücke muss sofort geschlossen werden. Priorisiere die Fälle, in denen die betroffenen Personen benachteiligt sind und keine sachlichen Gründe vorliegen. Plane den Rest über geregelte Erhöhungszyklen.
Intransparente Kommunikation
Wer lediglich Ergebnisse verkündet, riskiert Verunsicherung. Erkläre Systematik, Kriterien und Zeitplan. Zeige, wie Entscheidungen künftig konsistent getroffen werden.
Kommunikation, die Vertrauen schafft
Ein Equal Pay Audit verändert Erwartungshaltungen. Klare Kommunikation ist daher Pflicht. Erkläre, warum das Unternehmen auditiert, wie die Systematik funktioniert und wie Vergütung künftig entschieden wird. Hole Führungskräfte an Bord und befähige sie, die Logik zu erklären. Stelle hilfreiche Leitfäden bereit. Kommuniziere früh, ruhig und konkret. So entsteht Akzeptanz statt Gerüchten.
Denke auch an die externen Effekte. Karriereseiten, Stellenanzeigen, FAQ zum Vergütungssystem – all das wirkt im Recruiting. Die EU-Richtlinie fordert mehr Offenheit in Einstellungsprozessen. Ein durchdachtes Kommunikationspaket zahlt sich aus.
Equal Pay Audit im Mittelstand
Viele Mittelständler sind von formalen Berichtspflichten nicht unmittelbar betroffen. Trotzdem lohnt sich ein Equal Pay Audit. In gewachsenen Strukturen sind Gehälter oft historisch entstanden. Unterschiede entstehen durch Einzelfallentscheidungen, Verhandlungen, Wechselprämien oder Standortbesonderheiten. Ein auditierter Rahmen schafft Orientierung.
Auch mit begrenzten Ressourcen ist ein schlanker Einstieg möglich. Beginne mit Schlüsselbereichen. Baue saubere Rollenprofile auf. Lege erste Gehaltsbänder fest. Analysiere die größten Hebel. Kommuniziere den Plan. Mit jedem Zyklus gewinnt die Struktur an Stabilität.
Praxisbeispiel aus einem auditpflichtigen Umfeld
Ein Unternehmen mit 1.200 Beschäftigten hat in den vergangenen Jahren stark rekrutiert. Gehälter sind heterogen, Rollenprofile teilweise unscharf. Das Unternehmen startet ein Equal Pay Audit mit dem Ziel, bis zum nächsten Jahreswechsel ein belastbares Vergütungssystem zu haben und sich auf EU-Anforderungen vorzubereiten.
Zunächst werden Rollen und Level bereinigt. Dann werden Bestandsdaten zusammengeführt. Die Analyse zeigt eine unbereinigte Lücke, die vor allem durch unterschiedliche Rollenverteilungen entsteht. In einzelnen Rollen und Leveln bleiben allerdings Lücken, die sich nach Kontrolle nicht erklären lassen. Für diese Gruppen werden Anpassungsbudgets geplant. Parallel wird eine Logik für Einstiegsgehälter eingeführt.
Nach sechs Monaten stehen Rollenlogik, Bänder, Beförderungskriterien und ein Monitoring für Neueinstellungen. Ein internes FAQ erklärt die Systematik. Führungskräfte werden geschult. In Stellenanzeigen erscheinen Gehaltsspannen. Die nächste Beförderungsrunde wird anhand klarer Kriterien entschieden. Das Unternehmen kommuniziert die Ergebnisse offen, ohne Einzelgehälter zu nennen. So entsteht Vertrauen.
Häufige Fragen kurz beantwortet
Wie oft sollte ein Equal Pay Audit stattfinden
Empfehlenswert ist ein jährlicher Check zentraler Kennzahlen und ein vertieftes Audit alle zwei bis drei Jahre. Spätestens mit der EU-Umsetzung wird regelmäßige Transparenz Pflicht.
Müssen Gehaltsspannen veröffentlicht werden
Die EU-Richtlinie verlangt, dass Bewerber schon vor dem ersten Gespräch über die Vergütung informiert werden. Viele Länder werden hierfür die Angabe in Stellenanzeigen verlangen oder zulassen. In jedem Fall brauchst du belastbare Spannen.
Was ist der Unterschied zwischen unbereinigtem und bereinigtem Gap
Der unbereinigte Gap vergleicht alle Gehälter, der bereinigte Gap berücksichtigt Rolle, Level, Standort, Qualifikation und andere Kriterien. Für Equal Pay ist der bereinigte Gap entscheidend, weil er Gleichwertigkeit abbildet.
Wie gehe ich mit Einzelfällen um
Einzelfälle mit nicht erklärbaren Abweichungen überprüfst du priorisiert. Entweder liegen sachliche Gründe vor oder es braucht eine Anpassung. Dokumentiere die Begründung. Halte den Prozess einfach und konsequent.
Umsetzung in 100 Tagen – ein realistischer Fahrplan
Tag 1-30 Rollenlogik und Level definieren, Governance festlegen, Auswertungskonzept samt Kennzahlen bestätigen.
Tag 31-60 Daten zusammenführen, bereinigen und validieren. Voranalyse mit ersten Befunden und Hypothesen.
Tag 61-90 Vertiefte Analysen, Ursachenklärung, Maßnahmenentwurf, Budgetrahmen, Kommunikationsplan.
Tag 91-100 Entscheidungsvorlagen, Kick-off für Umsetzung, Führungskräftebriefing, internes FAQ und Monitoring aufsetzen.
Dieser Plan ist bewusst kompakt. Er liefert schnelle Transparenz, ohne Qualität zu opfern. Wir unterstützen dich und dein Team dabei.
Verbindung zu bestehenden Rechten und Pflichten
Das Equal Pay Audit ersetzt keine gesetzlichen Rechte, es stützt sie. In Deutschland stärkt es den Umgang mit dem Auskunftsanspruch. Beschäftigte erhalten Medianwerte aus Vergleichsgruppen. Weicht das eigene Entgelt ab, entsteht eine Vermutung, die der Arbeitgeber widerlegen muss. Ein auditierter, dokumentierter Vergütungsrahmen hilft, sachliche Gründe nachvollziehbar zu belegen. BMBFSFJDas Bundesarbeitsgericht
Auf EU-Ebene passt das Audit zur Logik der Richtlinie. Transparente Systeme, objektive Kriterien, nachvollziehbare Entscheidungen. Genau diese Bausteine fordert der europäische Gesetzgeber und belegt Verstöße künftig mit stärkeren Sanktionsmöglichkeiten. EUR-LexRat der Europäischen Union
Ein Equal Pay Audit ist der pragmatischste Weg zu fairer Vergütung. Es schafft Klarheit in der Struktur, liefert saubere Daten, macht Entscheidungen transparent und stärkt Vertrauen. Zugleich bereitet es auf die kommenden EU-Anforderungen vor.
Beginne mit einer klaren Rollenlogik und verlässlichen Daten. Analysiere kontrolliert. Erkläre die Ursachen. Plane gezielt. Kommuniziere offen. Verankere Monitoring. So wird aus einem einmaligen Projekt ein wirkungsvolles Steuerungsinstrument, das Kultur und Performance gleichermaßen stärkt.

Nicole Fromhold ist Geschäftsführerin von Fromhold Consulting GmbH und seit über 18 Jahren im HR-Bereich tätig. Als Interim Managerin, Beraterin, Business Coach und Podcasterin („Leading HR“) unterstützt sie Unternehmen dabei, nachhaltige Personalstrukturen aufzubauen, Führung neu zu denken und Mitarbeiterbindung zu stärken. Ihre Arbeit verbindet strategische Klarheit mit menschlicher Empathie.
Hinweis / Disclaimer:
Die Inhalte dieses Artikels wurden mit größter Sorgfalt erstellt und basieren auf dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung und EU-Richtlinien (Stand: Oktober 2025). Bitte beachte, dass die nationale Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie bis spätestens 7. Juni 2026 erfolgen muss und dadurch Änderungen oder Konkretisierungen möglich sind. Dieser Beitrag ersetzt keine rechtliche Beratung.