Das Entgelttransparenzgesetz, kurz EntgTranspG, wurde 2017 in Deutschland eingeführt. Es soll dafür sorgen, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt wird. Der Fokus liegt auf der Herstellung von Transparenz, damit unfaire Unterschiede bei der Bezahlung sichtbar werden und rechtlich angegangen werden können. Der Gesetzgeber möchte so den sogenannten Gender Pay Gap verringern, also den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen.
In diesem Beitrag wird das Entgelttransparenzgesetz umfassend erklärt. Es geht darum, wie es entstanden ist, welche Rechte und Pflichten es beinhaltet, für wen es gilt, welche Auswirkungen es in der Praxis hat und wie es sich in den nächsten Jahren durch die neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie verändern wird.
Hintergrund und Zielsetzung
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen war in Deutschland lange Zeit hoch. Während der unbereinigte Gender Pay Gap, also der reine Durchschnittsunterschied zwischen den Bruttostundenlöhnen, über 20 Prozent betrug, lag der bereinigte Wert – bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit – immer noch bei rund 6 bis 7 Prozent.
Das Entgelttransparenzgesetz wurde eingeführt, um diese Unterschiede zu verringern. Ziel ist es, strukturelle Benachteiligungen aufzudecken und Arbeitnehmern mehr Informationen über die Entgeltsysteme im Unternehmen zu geben.
Rechtlich ergänzt das Gesetz das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006. Während das AGG Diskriminierung im Arbeitsleben grundsätzlich verbietet, regelt das Entgelttransparenzgesetz konkret den Bereich der Bezahlung.
Die drei zentralen Instrumente
Das Gesetz enthält drei zentrale Mechanismen: den individuellen Auskunftsanspruch, interne Prüfverfahren und die Berichtspflicht für bestimmte Unternehmen.
1. Der Auskunftsanspruch
Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben das Recht, Auskunft über die Gehälter von Kollegen des anderen Geschlechts in vergleichbarer Tätigkeit zu verlangen. Dabei wird nicht der exakte Lohn einzelner Personen offengelegt, sondern es wird ein Medianwert angegeben. So wird der Datenschutz gewahrt, gleichzeitig erhält der Anfragende eine Vergleichsgrundlage.
Voraussetzung ist, dass mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts in vergleichbarer Position arbeiten. Die Auskunft kann alle zwei Jahre erneut verlangt werden. Der Arbeitgeber hat drei Monate Zeit, die Angaben zu liefern.
Wichtig ist die Rechtswirkung: Wenn ein Arbeitnehmer weniger verdient als der Medianwert der Vergleichsgruppe, entsteht eine gesetzliche Vermutung, dass eine Benachteiligung vorliegt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber nachweisen, dass es sachliche Gründe für die unterschiedliche Bezahlung gibt.
2. Interne Prüfverfahren
Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen ihre Entgeltsysteme regelmäßig überprüfen. Diese Prüfungen sind freiwillig, werden aber empfohlen. Ziel ist es, mögliche Ungleichbehandlungen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.
3. Berichtspflicht
Große Unternehmen, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen und zur Erstellung eines Lageberichts nach dem Handelsgesetzbuch verpflichtet sind, müssen regelmäßig einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit veröffentlichen. In diesem Bericht sollen Maßnahmen beschrieben werden, die zur Förderung der Gleichstellung ergriffen wurden, und es soll dargelegt werden, wie wirksam diese Maßnahmen sind. Unternehmen, die keine Maßnahmen ergreifen, müssen dies begründen.
Wer ist betroffen?
Das Gesetz unterscheidet klar nach Unternehmensgröße.
Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern müssen den Auskunftsanspruch ermöglichen. Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern werden zusätzlich aufgefordert, interne Prüfungen durchzuführen und regelmäßig Gleichstellungsberichte zu veröffentlichen.
Kleinere Unternehmen sind vom Gesetz nicht betroffen. Hier bleibt die Lohntransparenz weiterhin eine Frage der Unternehmenskultur oder freiwilliger Regelungen.
Wirkung in der Praxis
Das Entgelttransparenzgesetz hat die rechtlichen Grundlagen gestärkt, aber in der Praxis gibt es bisher noch viele Hürden.
Eine der größten Herausforderungen ist die geringe Bekanntheit. Viele Arbeitnehmer wissen gar nicht, dass sie ein Auskunftsrecht haben. Laut einer Umfrage von kununu aus dem Jahr 2024 kannten nur etwa zwölf Prozent der Beschäftigten diese Möglichkeit. Gleichzeitig gaben fast vierzig Prozent an, dass sie sich eine Auskunft wünschen würden.
Hinzu kommt, dass die praktische Umsetzung oft lückenhaft bleibt. Da nur Medianwerte angegeben werden müssen und bestimmte Entgeltbestandteile nicht einbezogen werden, entsteht nur ein eingeschränktes Bild. Zudem schrecken viele Arbeitnehmer davor zurück, eine Anfrage zu stellen, weil sie Nachteile oder Spannungen im Unternehmen befürchten.
Auch die freiwilligen Prüfverfahren haben sich in der Praxis bisher kaum durchgesetzt. Viele Unternehmen sehen keinen akuten Handlungsbedarf, solange es keine rechtlichen Sanktionen gibt.
Die Berichtspflichten werden zwar eingehalten, allerdings oft eher formal. Das heißt, Unternehmen veröffentlichen Berichte, die wenig konkrete Informationen enthalten.
Kritik am Gesetz
Das Gesetz wird von Gewerkschaften, Frauenverbänden und Arbeitsrechtsexperten regelmäßig kritisiert. Hauptkritikpunkte sind:
- Es betrifft nur größere Unternehmen, während die Mehrheit der Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Betrieben arbeitet.
- Die freiwilligen Prüfverfahren sind nicht verbindlich, wodurch eine systematische Überprüfung oft ausbleibt.
- Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf Medianwerte und ist damit nicht wirklich aussagekräftig.
- Die Nutzung der Rechte bleibt gering, weil die Bekanntheit niedrig ist und die Angst vor Repressalien hoch.
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie
Im Jahr 2023 hat die Europäische Union eine neue Entgelttransparenzrichtlinie verabschiedet. Alle Mitgliedstaaten müssen diese bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen. Damit wird auch Deutschland gezwungen sein, die bestehenden Regelungen zu verschärfen.
Die EU-Richtlinie geht deutlich weiter als das bisherige deutsche Gesetz. Künftig sollen Arbeitgeber bereits in Stellenausschreibungen Angaben zur Gehaltsspanne machen. Fragen nach dem bisherigen Gehalt der Bewerber werden verboten. Außerdem sollen Arbeitnehmer unabhängig von der Unternehmensgröße ein Auskunftsrecht erhalten.
Unternehmen müssen regelmäßig ihre Entgeltsysteme überprüfen und Maßnahmen zur Korrektur ergreifen, wenn ein Gender Pay Gap von mehr als fünf Prozent festgestellt wird, der nicht sachlich begründet werden kann. Verstöße können mit Sanktionen belegt werden.
Damit wird das Thema Entgelttransparenz in den kommenden Jahren noch stärker in den Fokus rücken. Arbeitgeber sollten sich rechtzeitig darauf einstellen, um Prozesse, Vergütungssysteme und interne Kommunikation anzupassen.
Tipps für Arbeitnehmer
Wer in einem Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern arbeitet, sollte sein Auskunftsrecht kennen und nutzen. Eine Anfrage kann helfen, Klarheit über die eigene Bezahlung zu gewinnen und eventuelle Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen.
Sinnvoll ist es, die Anfrage gut vorzubereiten und möglichst präzise zu formulieren. Unterstützung durch den Betriebsrat oder eine Gewerkschaft kann hilfreich sein, insbesondere wenn der Arbeitgeber nicht vollständig oder verspätet antwortet.
Tipps für Arbeitgeber
Auch Arbeitgeber können das Gesetz aktiv nutzen. Wer frühzeitig transparente Entgeltsysteme etabliert, stärkt nicht nur die rechtliche Sicherheit, sondern auch das Vertrauen der Belegschaft.
Unternehmen sollten ihre Entgeltstrukturen regelmäßig überprüfen, klare Kriterien für Gehaltserhöhungen und Beförderungen definieren und diese Kriterien auch offen kommunizieren.
Darüber hinaus lohnt es sich, die kommende EU-Richtlinie bereits jetzt als Maßstab zu nehmen. Wer Stellenanzeigen künftig mit Gehaltsspannen versieht und interne Entgeltanalysen durchführt, positioniert sich als moderner und fairer Arbeitgeber. Das wirkt sich positiv auf das Employer Branding und die Mitarbeiterbindung aus.
Entgelttransparenzgesetz einfach erklärt
Das Entgelttransparenzgesetz war ein wichtiger erster Schritt hin zu mehr Fairness bei der Bezahlung. Es hat den rechtlichen Rahmen geschaffen, um Lohnunterschiede sichtbar zu machen und gegebenenfalls zu korrigieren.
In der Praxis bleibt die Wirkung jedoch begrenzt. Viele Arbeitnehmer kennen ihre Rechte nicht, Unternehmen sind nur eingeschränkt verpflichtet, und die freiwilligen Prüfverfahren werden kaum genutzt.
Die kommende EU-Richtlinie wird das Thema grundlegend verändern. Spätestens ab Juni 2026 müssen Unternehmen umfassender und transparenter über ihre Entgeltsysteme informieren. Damit wird Entgelttransparenz nicht mehr eine Frage des guten Willens, sondern eine klare Pflicht.
Unternehmen, die sich rechtzeitig vorbereiten, profitieren gleich doppelt: Sie erfüllen nicht nur die gesetzlichen Anforderungen, sondern können auch mit einer offenen Vergütungspolitik punkten. Arbeitnehmer wiederum gewinnen mehr Sicherheit, dass gleiche Arbeit tatsächlich gleich bezahlt wird.